Das Buch direkt bei Amazon bestellen Ingrid Noll
Rabenbrüder

Diogenes gebunden
ISBN 3-257-06356-3

Eine schwer durchschaubare Mutter, zwei grundverschiedene Brüder und eine unliebsame Schwiegertochter versammeln sich zum Totenschmaus im Mainzer Elternhaus, nachdem der hypochondrische Vater das Zeitliche gesegnet hat.
Aus gutem Grund hat man sich länger nicht gesehen, und kaum ist man wieder beieinander, beginnen alte Konflikte zu schwelen.
Ob der Vater auch wirklich ohne Nachhilfe unter die Erde gekommen ist? Erst vor kurzem hatte die Mutter Paul gestanden, daß sie ein selbstbestimmtes Leben führen wollte. War das etwa kein Mordmotiv?
Die Brüder – der versponnene Paul und der verspielte Achim – entwickeln daraufhin wilde Phantasien, während Schwiegertochter Annette um ihre eigene Ehe pokert.

Rezension:
Wie kaputt kann eine Familie sein? - oder anders: Wie viele verwirrte Seelen, traumatisierte Kinder, betrügerische Verhaltensweisen und absonderliche Wendungen hält ein einziges Buch aus?
Da wird schon auf der dritten Seite ein Inzest angedeutet, da treibt es lustig jeder mit jedem - ohne dabei allerdings mehr als seine Lust zu befriedigen (und manchmal nicht mal diese), zarte Frauen besitzen einen Kern aus Stahl und es wird spioniert und intrigiert, was das Zeug hält.
All das vor einer so beschaulichen Kulisse wie sie - zumindest nach mehrheitlicher Ansicht - Städten wie Mannheim und Mainz zugeordnet ist.
Wie kann es sein, dass genau dort die Menschen sterben wie die Fliegen? Was verschweigt der Anwalt, der in seiner Kanzlei über der Dönerbude als schlecht bezahlter Pflichtverteidiger arbeitet und seine Frau betrügt? Ist sein charmanter Bruder, der kochen kann wie ein junger Gott und seine Mutter augenscheinlich um den Finger wickelt, wirklich das, was er scheint? Und was bewegt Annette, die von den Schwiegereltern gehasst wird - was auf Gegenseitigkeit beruhigt - und ihre Brötchen in einer Quark-Firma verdient?
Die Figuren in dieser morbiden Tragikomödie lügen sich die Hucke voll - und wenn sich hier der Leser eines Schmunzelns nicht erwehren kann, dann bleibt ihm dieses dort schon wieder im versteinerten Gesicht kleben, weil die Vorstellung dessen, was sich da wohl abgespielt hat, einfach zu grausig ist.
Mit galligem Humor zeichnet die Autorin auf gewohnt souveräne Weise das Bild einer schrecklichen und gar nicht netten Familie, in der jeder irgendwann irgendwie so verletzt wurde, dass er oder sie nur noch um sich schlagen kann … Ein echter Noll, zu Recht an den Spitzen der Bestsellerlisten!

Miss Sophie