Das Buch direkt bei Amazon bestellen Alessandro Baricco
Ohne Blut

Original: Senza Sangue
Aus dem Italienischen von Anja Nattefort
Hanser gebunden
ISBN 3-446-20347-8

Auf einem einsamen Bauernhof üben drei Männer grausame Rache. Sie töten einen Mann, wie nebenbei erwischt es auch den kleinen Sohn, nur die Tochter überlebt in einem Versteck. Zwar wird sie dort vom jüngsten Killer entdeckt, doch der verrät sie nicht.
Jahrzehnte später treffen sich die Frau und der ehemalige Killer wieder und setzen die Vergangenheit zusammen: eine Geschichte aus Tod, Rache, Vergeltung und ungelebtem Leben.
So lange, bis sich beide fragen: Was bleibt noch zu tun?

Neugierig geworden? Eine Leseprobe finden Sie auf dieser Seite des Hanser Verlages.

Rezension:
Ein Roman, der von seinen leisen Tönen lebt, vom Subtext - obschon (oder gerade weil?) das, was so explizit zum Ausdruck gebracht wird, an Kriegsverbrechen, menschlichem Versagen und Schuld eine außerordentlich deutliche Sprache spricht.
Denn die Männer, die verantwortlich sind, für den grausamen Mord im ersten Kapitel, haben selbst Fürchterliches erlebt - was ihr Handeln nicht etwa legitimiert, aber doch verständlich macht.
Vieles von den grauenvollen Begebenheiten der Vergangenheit wird nur angedeutet - und erhält gerade deswegen eine weitere, schreckliche Dimension: Die der Phantasie des Lesers.
Auch werden keine Ortsnamen genannt, so dass sich alles eigentlich überall auf der Welt hätte zugetragen haben können. Überall dort, wo der Krieg Menschen zu Tieren macht oder schlimmer noch, zu unkontrollierbaren Bestien in einem Rausch von Blut und Gewalt.
Doch die Ereignisse der Vergangenheit sind nur der Auftakt, das erste Kapitel einer ebenso ungewöhnlichen wie in all ihrer Dramatik poetischen Geschichte.
Denn sie endet nicht mit dem gemeuchelten Vater und seinem vom Kugelhagel zerfetzten Sohn, sondern erstreckt sich über gut fünfzig Jahre - die in Form eines Rückblicks von zwei der Protagonisten nacherzählt werden.
Und während sich diese auf eigenartige Weise annähern, erhält der Betrachter durch die Erzählung Einblick in ganz viele, verwobene Einzelschicksale. Ein jedes davon hätte mit Leichtigkeit Stoff für umfangreiche Kapitel geliefert, so dass ein Umfang von dreihundert, vierhundert oder mehr Seiten durchaus denkbar gewesen wäre.
Doch Baricco, Gründer der renommierten "Scuola Holden" in Turin, hat sich auf sparsame 102 Seiten beschränkt und all das, was manch anderer ausgewalzt hätte, der Vorstellungskraft seiner Leser überlassen.
Genau deswegen ist dieser Roman in all seiner Schlichtheit ebenso eindrücklich und beeindruckend.

Miss Sophie