Das Buch direkt bei Amazon bestellen Pentti Kirstilä Gabriele Schrey-Vasara
Tage ohne Ende

Original: Jäähyväiset ilman kyyneleitä
Aus dem Finnischen von Gabriele Schrey-Vasara
grafit TB
ISBN 3-89425-537-4

Lauri Hanhivaara, Kommissar bei der Kripo in Tampere, freut sich auf die bevorstehende Mitsommernacht. Während die Finnen scharenweise aufs Land fahren und in ihren Sommerhäusern dem Alkohol zusprechen, will er den Abend allein und nüchtern in seiner Wohnung mitten in der Stadt verbringen. Doch seine Freundin Maija Takala überredet ihn, mit ihr in das nahe gelegene Sommerhaus ihres Bruders zu fahren.
Er wäre besser standhaft geblieben, denn am nächsten Morgen stolpern die beiden bei einem Waldspaziergang prompt über eine Leiche. Hanhivaara alarmiert die Kollegen und begibt sich auf der Suche nach Zeugen zu dem Sommerhaus, in dessen Nähe die Leiche gefunden wurde.
Hanhivaara wühlt eine Menge Schmutz auf, bis er die traurige Wahrheit erkennt – und begeht am Ende selbst einen verhängnisvollen Fehler.

Rezension:
Mittsommer, das heißt für den Finnen an sich: Saufen, Sex und schön saunieren!
Zumindest ist das der Eindruck, der bei der Lektüre dieses „neuen“ Finnen, Pentti Kirstilä, entsteht. Wobei der „Neue“ in Finnland längst Kult und vielfach preisgekrönt ist und auch sein vorliegendes Werk bereits mehr als fünfundzwanzig Jahre alt ist.
Das allerdings merkt man dem Roman nicht an:
Denn auch wenn der knapp fünfzigjährige Unterkommissar Lauri Hanhivaara, der seine ordentlich gekleideten jungen Kollegen nicht wirklich mag und auch keinen Respekt vor dem eigenen Vorgesetzten hat, auf seine ganz eigene Art ermittelt, so ist diese lakonisch und klassisch-zeitlos zugleich.
Dabei hat der Mann mit der Messernarbe vom Kinn bis zum Ohr seinen Auftritt erst im dritten Teil, nach gut 90 Seiten – die es allerdings so in sich haben, dass man die ermittelnden Beamten nicht wirklich vermisst.
Denn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Faszination begleitet der Leser zunächst fünf Kapitel lang einen offensichtlich hochgradig gestörten Menschen, der akribisch einen Mord plant. Und so abstoßend das kranke Hirn und dessen Einfälle des Ich-Erzählers auch wirken, kann man doch nicht umhin, bei der einen oder anderen skurrilen Wendung zu schmunzeln oder gar lauthals zu lachen. Etwa an jener Stelle, als der Killer sich überlegt, was er zum Mord tragen wird und die Wahl eines T-Shirts mit der Aufschrift „Ovanon“ verwirft, weil ihn ein solches als kinderunfreundlich abstempeln und somit potentiellen Zeugen leichter in Erinnerung bleiben würde.
Dann allerdings, im Verlauf der Handlung, als immer mehr Details zur Person dieses Mannes, eines Buchhalters, ans Licht kommen, vergeht auch dem zynischsten Leser das Grinsen.
Dieses wird aber ersetzt durch eine ständig steigende Spannung, die – zusammen mit dem völlig unerwarteten Finale – den Roman davor bewahrt, auf der Ebene einer schwarzen Komödie zu verharren.
Drei Absätze nur, auf der vorletzten Seite … - und Kirstilä sorgt davor, dass sich das Lächeln über den Hauptmeister Hanhivaara, der sich zuweilen ein wenig wie ein finnischer Columbo gebärdet, definitiv in gallenbitteres Bedauern einer ebenso überflüssigen wie den Leser bis ins Mark treffenden Tat verwandelt.
Lesenswert – ausgesprochen lesenswert! Und der beste Beweis dafür, dass „die Skandinavier“ auch vor Mankell (und nach Sjöwall /Wahlöö) wussten, was sie, in literarisch-krimineller Hinsicht, taten.

Miss Sophie