Janwillem van de Wetering
Die entartete Seezunge
Eine Kriminalnovelle
Es geht um den Sinn des Lebens, das Recht zu töten und die kindliche Begeisterung für gebratene Seezungen.
Rezension:
K. Ara
Übersetzt von Klaus Schomburg
Europa gebunden
ISBN 3-203-84006-5
Janwillem van de Wetering hat die schwersten Fragen menschlicher Existenz in einen rauen, überraschenden und bis zur letzten Seite spannenden Krimiplot gekleidet: Nietzsche und Chagall spielen mit, Johan, ein getaufter jüdischer Bankierssohn aus Rotterdam, und sein bester Freund und Adoptivbruder Henri, ein nihilistischer Bohemien und Nazi-Mitläufer spielen die Hauptrollen in diesem literarischen Kabinettstück, das den Tod, das Leben und das Morden ganz mitleidlos betrachtet und eine verstörende Antwort findet.
Ein Kabinettstück, ein aufwändig gestaltetes Hardcoverbuch, mit besonders (leserfreundlich großer) Schrift, Schmuckband auf jeder Seite und einer winzigen Seezungen-Vignette zwischen den Abschnitten.
Was haben der 11. September 2001 und eine Seezunge gemeinsam? Das Wort "entartet" im Titel lässt erahnen, dass es um die Nazizeit geht. Nur wenige Schriftsteller haben bisher den Versuch gemacht, die einstürzenden Zwillingstürme zum Thema einer Geschichte zu machen.
Während dem Drama am World Trade Center gelüstet es den Protagonisten Johan, seines Zeichens Exil-Holländer, in einem der besten Restaurants Seezunge "pur" zu essen. Keine Beilagen, nichts was von dem herrlichen, sorgfältig zubereiteten Exemplar ablenken könnte.
Dabei erinnert er sich an den Zweiten Weltkrieg und seinen Freund Henry, philosophiert über Gott und die Welt.
Verstrickung und Schuld in Holland während der Naziherrschaft und immer wieder die Seezunge, die er schon von Kindheit an liebt.
Es wird dem Leser in dieser Kriminalnovelle einiges an Konzentration abverlangt, dafür wird er mit einem ungewöhnlichen Leseerlebnis belohnt.