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Bartimäus - Das Auge des Golem

(Band 2)
Originaltitel: The Bartimaeus Trilogy: Vol.II: The Golem's Eye
Aus dem Englischen von Katharina Orgaß, Gerald Jung
Cbj TB
ISBN: 978-3-570-21853-2
(Ab 10 Jahren)

„Klar habe ich damit gerechnet, dass mich eines Tages wieder irgendein Schwachkopf mit spitzem Hut beschwört, aber doch nicht derselbe wie beim letzten Mal!“

Zwei Jahre und acht Monate ist es her, seit sich die Wege von Bartimäus und Nathanael zuletzt gekreuzt haben.
Der ehrgeizige Nathanael hat inzwischen Karriere im Zaubereiministerium gemacht und soll Informationen über den »Widerstand« beschaffen: Eine Gruppe nichtmagischer Gewöhnlicher stiehlt immer wieder magische Gegenstände und setzt sie für Anschläge gegen die Zauberer ein. Zur Widerstandsbewegung gehört auch die 15-jährige Kitty, die mit einer seltenen Gabe geboren wurde: außergewöhnlicher Abwehrkraft gegen Magie!
Als eines Nachts eine ganze Reihe Luxusgeschäfte für Magier bei einem Anschlag zerstört wird, erhält Nathanael den Auftrag, die Widerständler dingfest zu machen. Er weiß, dass dies seine große Bewährungsprobe sein wird … Und er setzt alles daran, Kitty und ihre Verbündeten aufzuspüren.
Als diese entkommen, weiß sich Nathanael keinen anderen Rat mehr. Bartimäus muss wieder her – doch wie nicht anders zu erwarten, ist der nicht gerade beglückt, als er schon wieder in die Dienste dieses grässlichen Ehrgeizlings treten muss.

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Rezension:
Schon der Einstieg macht dem Leser klar, dass ihn hier kein Kaffeekränzchen erwartet: Wortgewaltig und lebensecht schildert der Autor die legendäre „Schlacht von Prag“, bei der es den Engländern unter der Führung des berühmten Gladstone 1868 gelingt, die Tschechen zu besiegen und ihre eigene Weltherrschaft einzuläuten.

Zeitsprung. Mehr als hundert Jahre nach diesem denkwürdigen Tag und zwei Jahre nach den Ereignissen des ersten Bandes wird London immer noch von zauberkräftigen Politikern regiert, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie eiskalt sind: Sie stehlen und betrügen, wo sie nur können, sind herzlos, pietätlos und vor allem grenzenlos grausam gegenüber den „Gewöhnlichen“, die die jahrelange Unterordnung jeglicher Eigeninitiative beraubt hat.
Aus dem kleinen Nathanael ist „John Mandrake“ geworden. Dieser ist ein recht eingebildeter, eitler Fatzke, der sich in der Obhut von Jessica Whitwell befindet, einer der vier einflussreichsten Magier der Regierung. Sie fördert und fordert ihn weit mehr als sein alter Meister und entdeckt schnell die Talente des Jungen.
Dies, sowie die Tatsache, dass der Vierzehnjährige als Protegé des Premierministers gilt, führt dazu, dass er trotz seines jugendlichen Alters bereits einen Job im Innenministerium erhält. Er soll die aufrührerischen Widerständler bekämpfen.
Doch die Résistance ist kein Kindergartenverein, der der Regierung nett Streiche spielt, sondern es werden Anschläge verübt, die erheblichen Sachschaden und nicht selten auch Tote zur Folge haben.
Fast alle Mitglieder der Gruppe, zu der auch die fünfzehnjährige Kitty gehört, haben spezielle Fähigkeiten: Manche können die Aura von magischen Gegenständen spüren, andere – obwohl sie „Gewöhnliche“ sind – auf mehr als einer Ebene sehen und so frühzeitig verzauberte Kobolde und andere magische Gestalten erkennen und wieder andere sind in der Lage, den Angriffen von Zauberwesen unbeschadet Stand zu halten.
Ihnen gemeinsam ist der Hass auf das Regime und der Wunsch, dieses durch Diebstähle und Attentate zu verunsichern.
Das ist die Situation, als sich eine weitere, gewaltige Kraft ins Geschehen einschaltet – ein riesenhafter Golem, der alles zerstört, was sich ihm in den Weg stellt.
Und damit nicht genug: Eine ungeheuerliche Freveltat setzt ein Geisterwesen von ungeahnter Mordlust frei, das es um jeden Preis zu besiegen gilt …

Wie es Nathanael, Bartimäus, aber auch Kitty und ihren Freunden gelingt (oder auch nicht), die bösen Kräfte zu besiegen bzw. den Häschern der Regierung zu entkommen, das ist auch diesmal wieder ein echtes Lesefest.
Zwar ist Bartimäus – nach seinem fulminanten Auftritt im Prolog – zunächst nicht ganz so präsent wie im ersten Teil der Trilogie, doch als er endlich im Boot ist, geht es wieder mächtig zur Sache.

Wie gewohnt nutzt der Dschinn permanent seine Verwandlungskünste – und seine spitze Zunge. Und wie schon im ersten Band ist er dabei (bis auf wenige Ausrutscher) ausschließlich dem eigenen Wohlergehen, sowie (notgedrungen) seinem Herrn und Meister verpflichtet. Bartimäus (der sich mit Vorliebe als schmächtiger Ägypterjunge zeigt – wenn er nicht gerade als Wasserspeier, Minotaurus oder geflügelte Schlange sein Unwesen treibt) ist nicht edel, nicht hilfreich und kein bisschen gut.
Er ist ein (liebenswerter) Angeber, der sich eher die Zunge abbeißen als das eigene Licht unter den Scheffel stellen würde. Und doch hat er in einem sehr verborgenen Winkel seiner nicht vorhandenen Seele ein Herz, was ihn aus der Masse der dienstbaren Geister heraushebt, die nur von blindem Gehorsam getrieben werden.

Zimperlich geht es nicht zu in dieser opulenten Mischung aus Krimi, Fantasy- und historischem Roman. Da wird ohne mit der Wimper zu zucken gemeuchelt und niemand hat Skrupel, Geheimnisse zu verraten oder Versprechen zu brechen. Doch gibt es auch wahre Freundschaft und heroische Taten – alles stets pointiert kommentiert (mit oder ohne Fußnoten) vom brillanten Bartimäus.
Die Geschichte kommt ohne überzogene Albernheit aus und ist doch gleichermaßen bunt und ironisch, um sowohl junge Leser wie auch anspruchsvolle Erwachsene zu begeistern.
Mädchen finden ihre Identifikationsfigur in Kitty, während Nathanael sich genau so verhält, wie jeder normale Teenager es tun würde, käme er quasi über Nacht zu Geld und Einfluss, was ihn menschlich, wenn auch nicht immer sympathisch macht.

Ganz nebenbei „lernt“ der Leser noch dies und das über geschichtliche Ereignisse (wobei die Herausforderung darin besteht, zwischen echten und erfundenen zu unterscheiden), politische Strukturen und darüber, was passiert, wenn Macht missbraucht wird.
Außerdem wird er hinein gesogen in eine fast siebenhundert Seiten starke rasante, spannende, zuweilen auch tragische, immer aber mit hintergründigem Witz versehene Geschichte von ganz eigenem Reiz.
Deren einziges Manko darin besteht, dass sie (wahrscheinlich? vielleicht? – siehe dazu auch das Interview mit Jonathan Stroud) nach dem dritten Band der Trilogie zu Ende ist …

Also: Unbedingt lesen – und darüber freuen, dass es noch einen dritten Band gibt!

Miss Sophie