Åsa Larsson Gabriele Haefs
Bis dein Zorn sich legt

Original: Till dess din vrede upphör
(4. Band)
Aus dem Schwedischen von Gabriele Haefs
C. Bertelsmann gebunden
ISBN 978-3-570-01084-6

Rebecka Martinsson, Staatsnwältin im nordschwedischen Kiruna, wird in einen besonders grausamen Mordfall verwickelt: Ein junges Paar hat ein Eisloch in einen See geschlagen, um zu einem auf dem Grund liegenden Flugzeugwrack zu tauchen. Doch während des Tauchgangs kappt jemand die Markierungsleine und schiebt eine Holztür über das Eisloch. Die beiden haben keine Chance.
Was suchte das Paar in dem Flugzeugwrack? Und wer hat die beiden dafür mit dem Tod bestraft?
Bei ihren Nachforschungen kommt Rebecka lange verheimlichten Ereignissen aus der Vergangenheit auf die Spur.
Und sie entdeckt ein gefährliches Netz aus Schuld, Angst und Verrat, in das viele Bewohner ihrer Heimatgegend verstrickt sind.

Rezension:
Rebecka Martinsson hat ein Rendezvous mit einer Leiche.
Oder anders:
Die jüngst eines gewaltsamen Todes gestorbene Wilma wendet sich an die junge Staatsanwältin, um die Theorie eines Unfalls zu widerlegen.

Zunächst zögerlich (wer gibt schon gerne zu Erscheinungen zu haben?), nach den ersten Indizien für einen Mord aber sehr zielstrebig, kümmert sich Rebecka um die Sache und kommt dabei gar ihrer Freundin Anna-Maria Mella in die Quere.

Überhaupt ist in so einigen Beziehungen der Wurm drin:
Das Familienleben von Polizistin Anna-Maria entspricht nicht wirklich ihren Vorstellungen (alle warten auf Anweisungen, Eigeninitiative bei der Hausarbeit gibt es keine und als sie völlig verstört nach großer Gefahr für sie und die Teenager-Tochter Trost beim Gatten sucht, signalisiert dieser, dass sie schließlich für ihre Berufswahl selbst verantwortlich ist ...) - beruflich hat sie ebenfalls wenig Rückhalt (die Ereignisse des Vorläuferbandes haben dazu geführt, dass zwischen ihr und Kollegen Erik nur mehr das Nötigste gesprochen wird).
Auch bei Rebecka und ihrem Freund Mans ist die Kommunikation eher schwierig - sie kann seinem Wunsch, in die Stadt zu ziehen, nicht nachkommen und er hat kein Verständnis für ihre innige Bindung an die karge Umgebung und die Welt ihrer Kindheit.

Aber nicht nur die vertrauten Figuren haben mit ihren Beziehungsgeflechten zu kämpfen:
Bei den Krekulas - betagten Eltern und ihren beiden Söhnen, so ähnlich und gleichzeitig doch so verschieden - liegen die Spannungen teilweise schon Jahrzehnte zurück und haben doch nach wie vor Auswirkungen auf das Verhalten. Und als kompletter Gegensatz dazu das Verhältnis zwischen der 17jährigen verstorbenen Wilma und ihrer Urgroßmutter - liebevoll, lebendig, voll herzerfrischender Lebensfreude ...

Gerade wenn in Rückblenden aus dem Leben dieser beiden berichtet wird, dann schnürt es dem Leser das Herz ab - wie unerträglich der Gedanke, dass dieses lebensfrohe Geschöpf, trotz Piercings im Gesicht voller zärtlicher Fürsorge und Interesse für die Mitmenschen im Herzen und so vor allem den älteren Bewohnern des Ortes so zugewandt, nicht mehr ist.
Dieser junge Mensch fehlt - und man möchte den Täter nur dingfest sehen.

Allein ... je weiter die Handlung fortschreitet, umso mehr zeichnet sich die Unausweichlichkeit des schrecklichen Geschehens und der Folgetaten ab und fast möchte man Mitgefühl empfinden für all jene Menschen, die nicht aus ihrer Haut können, weil das, was einmal geschah, Auswirkungen auf ihr gesamtes weiteres Leben hat.

Larssons Stärke ist auf der einen Seite die fast unerträgliche Spannung, die sie immer und immer wieder entstehen lässt, wenn ihre Figuren in brenzlige Situationen geraten.
Auf der anderen Seite kann der Leser diese Gänsehaut produzierende Spannung keineswegs so genüsslich auf sich wirken lassen wie bei einem guten Sonntagabendkrimi, denn die außerordentlich plastische Darstellung der Charaktere sorgt dafür, dass keine Distanz möglich ist.
Mit diesen mal überheblichen, mal verletzlichen, mal garstig brutalen, mal ansteckend fröhlichen Protagonisten muss man einfach eins zu eins lachen, lieben und leiden.

Rebeckas Erlebnisse wurden bereits erfolgreich verfilmt (Sonnensturm - erst kürzlich im deutschen Fernsehen) - die kraftvolle Schreibe der Autorin jedoch kann auch der beste Film nicht ersetzen, davon kann der Fan gar nicht genug bekommen!

Also, Asa: Auf geht's, weiterschreiben!

Miss Sophie