Jan Costin Wagner
Im Winter der Löwen
Ein Kimmo-Joentaa- Roman
Wie jedes Jahr seit dem Tod seiner Frau rüstet sich Kimmo Joentaa für die Einsamkeit der finnischen Weihnachtstage mit einem Glas Milch und einer Flasche Wodka.
Rezension:
Miss Sophie
(3. Band)
Eichborn Berlin gebunden
ISBN 9783821807584
Aber es kommt anders.
Erst steht Larissa vor der Tür, eine schmale, strohblonde Prostituierte, die sich kurzerhand bei ihm einquartiert und auch sonst genau weiß, was sie will. Dann wird ein langjähriger Kollege, ein Gerichtsmediziner, erstochen aufgefunden.
Als wenig später Finnlands berühmtester Talkmaster, Kai-Petteri Hämäläinen, einem Anschlag nur knapp entkommt, stoßen die Ermittler auf eine rätselhafte Verbindung: Der Gerichtsmediziner war einige Wochen vor seinem Tod Gast in Hämäläinens Show.
Kimmo Joentaa beginnt, über die verschiedenen Gesichter des Todes nachzudenken. Und über die Frage, warum eine Talkshow, die für das Millionenpublikum an den Bildschirmen nichts weiter war als gute Unterhaltung, in einem Zuschauer die Wut auslöst, die ihn zum Mörder macht.
Der Moderator plant unterdessen medienwirksam seine Rückkehr auf die große Bühne - und der Täter lauert auf seine zweite Chance ...
Ein todtrauriger Mann - die Frau mit Mitte zwanzig an Krebs gestorben und er, selbst nach Jahren noch immer in der Erinnerung und der Einsamkeit verhaftet ...
Eine Prostituierte, die mit ihrem ungewöhnlichen Verhalten den Panzer des Stoikers durchbricht.
Ein spielsüchtiger Kollege, der sich mit offenen Augen ins Verderben hineinmanövriert.
Und eine schwer traumatisierte Frau, die den Verlust ihrer Lieben mit Rache kompensieren will und beim Versuch, ihre Welt wieder in Ordnung zu bringen, großes Unheil - nicht zuletzt für sich selbst - anrichtet ...
Das ist der Cast des neuesten Romans vom vielfach preisgekrönten Jan Costin Wagner. Und nach den brillanten Vorläufern wundert niemanden, dass auch der dritte Band der Reihe um den finnischen Polizisten und Witwer Kimmo Joentaa alle Elemente der griechischen Tragödie in sich vereint.
Denn die, die gefehlt haben, taten dies teilweise unwissentlich, teilweise durch äußere Zwänge verursacht oder in einem Zustand geistiger Umnachtung. Doch all dies macht ihre Verfehlungen nicht besser und lässt die Katastrophe logisch erscheinen ...
Hat man sich erst an die finnischen Namen gewöhnt (bei denen für den Sprachunkundigen nicht selten erst nach geraumer Zeit ersichtlich ist, ob die handelnden Personen nun Männer oder Frauen sind), ist der Sog von wechselnden Perspektiven und Ebenen, der den Leser ergreift, schnell gewaltig und er möchte mehr, immer mehr und immer schneller weiterlesen.
Sich auf die Figuren einzulassen, ist nicht schwer - so nachvollziehbar sind ihr Schmerz, ihre Zerrissenheit, die zaghafte Hoffnung, dass es für alle Geschundenen vielleicht doch möglich sein wird, eines Tages den Kontakt zu den Mitmenschen wieder aufzunehmen.
Entlarvend und ernüchternd der Blick hinter die Kulissen des Mediengeschehens: Da legt der Autor den Finger in die Wunde, zeigt, wie schreckliche Ereignisse, die das Leben von vielen Menschen total aus den Fugen geraten lassen, zu einer Frage von Tagesaktualität, von Quoten, von publikumswirksamen Gesten werden.
Ein spannender Roman, eindringlich und tragisch ... so viele Verlierer sind hier versammelt ... und doch ganz am Ende gekennzeichnet von einem Hoffnungsschimmer, kleinen Blitzlichtern, die ahnen lassen, dass da draußen auch auf die Traumatisierten eine positive Zukunft wartet.
Ein Roman, der noch lange nachhallt und den man sich nicht nur merken muss, weil er förmlich nach Verfilmung schreit ...