Das Buch direkt bei Amazon bestellen Jonathan Stroud Katharina Orgaß Gerald Jung
Valley - Tal der Wächter

Originaltitel: Heroes of the Valley
Aus dem Englischen von Katharina Orgaß, Gerald Jung
Cbj gebunden
ISBN: 978-3-570-13493-1
(Ab 11 Jahren)

Der junge wagemutige Hall und seine ungestüme Freundin Aud leben in einem weiten, friedlichen Tal, das umgeben ist von tiefen Wäldern und mächtigen Bergen.
Doch der freundliche Schein trügt. Das Tal steht nämlich unter einem besonderen Bann: Alle Wege, die aus ihm herausführen, werden bewacht von mächtigen und bedrohlichen Fabelwesen, die jedem gefährlich werden, der sich ihnen nähert.
Deshalb ist es nach dem Gesetz der Ahnen aufs Strengste verboten, einen Weg in die Welt außerhalb zu suchen.
Gepackt von Neugierde und Abenteuerlust wagen Hall und Aud sich dennoch an die Grenzen ihres Tals.
Nur ist das, was sie dort erwartet dunkler und gefährlicher als alles, auf das die Geschichten der Alten sie vorbereitet haben.

Rezension:
Die Welt von Hal und seiner Familie ist fürwahr überschaubar:
Es gibt 12 "Höfe" - alle von Nachkommen der Urväter bzw. "Helden" bevölkert. Jeder Hof wird angeführt vom Stammesherrn, dessen Frau als Schiedsherrin bei Streitigkeiten über die Diener und Pächter zu Gericht sitzt.
Zwar gibt es für schwere Verfehlungen drakonische Strafen und auch das Prügeln der eigenen Kinder ist eine beliebte Erziehungsmethode, doch ist die Blutrache schon seit vielen Generationen abgeschafft und bei schwerwiegenden Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Höfen kümmert sich ein Schiedsgericht darum, dass die Sache friedlich geregelt wird.

Hal selbst ist ein Zweit- oder eigentlich sogar Drittgeborener (zählt man seine große Schwester mit). Außerdem ist er ein Nichtsnutz, der nichts lieber tut, als seinen eingebildeten großen Bruder zu ärgern und so vorzuführen, dass es eine wahre Freude für die Zuschauer (und Leser!) ist.

Die Strafen, die er dafür erhält, fechten ihn nicht großartig an - bis er von der großen Versammlung ausgeschlossen wird, das Highlight seines bisherigen Lebens, zu dem gut 400 Gäste erwartet werden.

Doch auch wenn er an den Veranstaltungen nicht teilnehmen darf, führt dieses Treffen doch zur schönsten und schlimmsten Begegnung seines Lebens:
Er lernt Aud kennen, wie er 13 Jahre alt, ein kleines, freches Ding, die klettern kann wie ein Affe und mit Vorliebe Äpfel klaut.
Und Hal muss eine fürchterliche Bluttat mit ansehen, die ihn völlig aus dem Gleichgewicht bringt.

Getrieben von Schuldgefühlen und dem Wunsch nach Rache macht er sich auf eine Reise, die voller Gefahren ist und bei der er mehr als einmal dem Tod ins Auge blickt.
Als er nach Hause zurückkehrt, ist er verändert, denn vieles, von dem, woran er glaubte, wurde in den Grundfesten erschüttert.
Doch seine allergrößte Bewährungsprobe wartet noch auf ihn und seine Freundin Aud. Um hier zu siegen, benötigen sie weit mehr als Klugheit, List und Mut ...

Stroud ist ein brillanter Erzähler.

Seine opulenten Landschaftsbeschreibungen führen schon nach wenigen Seiten dazu, dass der Leser das Gefühl hat, selbst mitten in diesem Tal zu stehen - mit Blick auf die Hügelgräber.
Die Heldengeschichten, die jedes Kapitel einleiten, machen deutlich, welche Überlieferungen die Lebenswelt von Hal und seinen Mitmenschen bestimmen.
Und die plastische Schilderung der gelungenen Charaktere - bis in die Nebenrollen brillant besetzt - tut ein Übriges, damit der Leser sofort dem Zauber dieser Geschichte erliegt.

Seine Hauptfiguren sind weder angepasst, noch politisch korrekt. Auch sonst geht es immer wieder kernig derb und bäuerlich zu - wie dies eben in den alten Zeiten der Fall war und wie auch die Bewohner des Tales gestrickt sind. 100% stimmig ist es also, wenn etwa die alte Amme Katla den Kindern erzählt, wer das Tal verließe müsse damit rechnen, unfruchtbar (die Mädchen) zu werden oder sein Geschlechtsteil komplett verschrumpeln und abfallen zu sehen (die Jungen).

Hal ist anders als die anderen. So kurzbeinig, dass er permanent von Freund und Feind verspottet wird. Aber auch freiheitsliebend, einer, der sich nicht mit seiner engen Welt zufrieden geben will. Kein Wunder also, dass sein Vorbild nicht der eigene angesehene Vater ist, sondern vielmehr dessen jüngerer, weit gereister Bruder, oftmals als Tunichtgut und Geschichtenerzähler von den anderen ehrbaren Hofbewohnern geächtet.

Sein Idol sind die Helden der Vergangenheit - ihnen will er nacheifern, auch wenn er noch nicht recht weiß, wie.
Doch als er plötzlich in die Situation gerät, töten zu müssen, um selbst zu überleben, stellt er fest, dass die Leichtigkeit, mit der den Legenden nach Leben ausgelöscht wurde, nicht seinem Naturell entspricht.
Er tut, was er tun muss - aber er lässt sich nicht mehr verbiegen. Und die Anerkennung durch andere, die er sich so lange so sehr gewünscht hat, ist ihm plötzlich schnurzegal.

"Valley" hat alles, was ein guter, spannender Roman - nicht nur für Jugendliche - haben muss: Spannung, Witz, gruselige Elemente, Verbrechen, Verrat, Liebe, Freundschaft, Geschwisterkonflikt und einen Underdog, der über sich selbst hinauswächst.

Und am Ende der fast 500 Seiten - die man zum Schluss gar nicht schnell genug durchblättern kann - halten sich die Erleichterung über den Sieg des Guten und das Bedauern darüber, dass alles schon vorbei sein soll, definitiv die Waage!

Miss Sophie