Das Buch direkt bei Amazon bestellen Peter Probst
Blinde Flecken

(1. Band Anton Schwarz)
dtv TB
ISBN 978-3-423-21195-6

Tim Burger sitzt wegen einer Amokfahrt mit tödlichen Folgen im Gefängnis. Jetzt verdichten sich die Hinweise darauf, dass seine Entlassung kurz bevorsteht - und dass er ein Attentat plant.
Rechtsanwalt Loewi wendet sich an den Privatermittler Anton Schwarz, weil er glaubt, dass Burger Werkzeug eines rechtsradikalen Netzwerks ist und die Amokfahrt einen antisemitischen Hintergrund hatte.
Höchste Eile ist geboten, denn in den Jahren der Haft hat Burger sich in eine tickende Zeitbombe verwandelt.

Rezension:
Für Karlsbader Obladen würde er töten (na ja, fast ;-) - für eine Wohnung in der "Exeter"-Villenkolonie am Pasinger Bahnhof seine Frau verraten ... Das allerdings muss Anton Schwarz nicht mehr tun, hat die 47jährige ihren Mann doch etwa drei Jahre zuvor bereits verlassen.
Doch der Ex-Polizist und jetziger Privatermittler liebt die sportliche Schuldirektorin noch immer: Daher kommt es ihm nicht ungelegen, dass sein neuester Fall im Zusammenhang steht mit einem ihrer ehemaligen Schüler.
Einen Jugendlichen hat der junge Mann totgefahren, ein Mädchen in den Rollstuhl gebracht, vier weitere Teenager schwer verletzt - und dass die Reue, die der ehemalige "Loser" in den vier Jahren im Gefängnis gezeigt hat, wirklich ernst ist, das darf bezweifelt werden...

Ein unangenehmer Junge, dieser Tim Burger, und sein Umfeld ist auch nicht besser, egal ob Ex-Freundin, Ex-Zellengenosse oder das Netzwerk von Alt- und Neonazis, das ihn schützt und unterstützt.
Kein Wunder also, dass Schwarz, der sich als Wachmann eines Mini-Konsulates einen Teil seines Lebensunterhaltes verdient, den Auftrag eigentlich gar nicht haben will und immer wieder den Versuch macht, auszusteigen - bis, ja bis klar wird, dass die Gegenseite mit außerordentlich harten Bandagen kämpft und auch vor dem Äußersten nicht zurückschreckt ...
Das ist der Moment, in dem der 50jährige Schwarz alle verfügbaren Mittel zum Einsatz bringt, um seine Familie und seine Freunde zu schützen und dem rechtsradikalen Treiben Einhalt zu gebieten.

Eine rechtsradikale Hilfeorganisation für Gefangene, Brandstiftung mit Todesfolge, Ermittlungsbehörden, die nicht sehen wollen, was nicht sein darf, menschenverachtende Parolen von aalglatten Emporkömmlingen - was Autor Probst hier zu einem dichten Handlungsgeflecht verwebt, ist umso bedrückender, da sich ähnliche Szenarien ja durchaus so abgespielt haben oder abgespielt haben könnten.

Doch geht die Düsterkeit des Sujets nie zu Lasten der Spannung. Unverkennbar, dass hier ein versierter Drehbuchautor am Werk war: Seine Bildsprache ist kräftig und überzeugend, greifbare Melancholie mischt sich mit Humor, an den richtigen Stellen ergänzt durch atemberaubende Actionszenen und die Figuren sind so vielschichtig, dass sie schlecht in die Schublade passen.

Auch Protagonist Schwarz hat so manche Leiche im Keller: Zwar wurde er nach einem guten Vierteljahrhundert nur deswegen unehrenhaft aus dem Polizeidienst entlassen, weil er einen Kollegen vor Schwierigkeiten bewahren wollte - dafür scheut er sich aber jetzt nicht, bei Bedarf die Rückzahlung von Gefälligkeiten aus der Vergangenheit zu fordern.
Um seine alte Mutter kümmert er sich zwar hin und wieder - schenkt der alten Dame aber noch lange nicht die Aufmerksamkeit, die sie einfordert, was den Privatschnüffler kurze Zeit später in große Bedrängnis bringt.
Und auch sonst gibt es die eine oder andere Pikanterie in seinem Leben - etwa das ausgesprochen ambivalente Verhältnis zu Justus, dem neue Freund seiner Ex-Frau Monika. Oder die Tatsache, dass er gern mal aus witterungsbedingten Gründen den Wohnwagen einer befreundeten Prostituierten als mobiles Büro nutzt ...

Unterm Strich stellt dieser Anton Schwarz also eine eindeutige Bereicherung der Münchner Krimi-Helden-Landschaft dar: So bodenständig, dass der Leser sich mit ihm identifizieren kann, dabei aber in der Stunde der Not entschlossen und unkonventionell genug, um die Sehnsucht nach dem Außergewöhnlichen zu befriedigen, nach einer Figur, die mehr wagt, als es der Leser vielleicht in einer vergleichbaren Situation getan hätte.
Also, Peter Probst, ran an die Tasten und mehr davon!

Miss Sophie