Nele Neuhaus
Schneewittchen muss sterben
(4. Band Bodenstein/Kirchhoff)
Sulzbach im Taunus:
Rezension:
Schon im ersten Kapitel muss Kriminaloberkommissarin Pia, die dabei ist, mit ihrem neuen Freund, dem Zoodirektor, zusammenzuziehen, für den Job alles geben und sich für ein auf einem alten Flugzeughangar gefundenes Skelett die Seele aus dem Leib frieren.
Bei Bodensteins hingegen - mit "Working Mum", Kleinkind und Hund, der zuweilen nicht stubenrein ist - hängt der Haussegen schief, weil der pater familias sich lieber seinem beruflichen als dem privaten Chaos widmet.
Und dann ist da natürlich noch der (angebliche) Mädchenmörder Tobias, der sich nach zehn Jahren Knast wieder auf freiem Fuß befindet.
Ebenso zahlreich wie die involvierten Personen sind die dubiosen Ereignisse und Querverbindungen. Und schnell wird klar, dass praktisch das ganze Dorf gute Gründe hat, weiterhin den Mantel des Schweigens über die Geschehnisse jener Nacht zu breiten, in der zwei Mädchen ihr Leben verloren.
Schnell nimmt der Roman Tempo auf - vor allem, wenn man die Figuren aus früheren Bänden der Reihe "kennt", fällt es leicht, sich schnell wieder in ihre Befindlichkeiten und den Umgang untereinander hineinzufinden.
Der eine hat massive finanzielle Probleme, der andere ist mit den unerwünschten Nachwirkungen eines One-Night-Stands beschäftigt - und dann gibt es da noch das übliche Kompetenzgerangel zwischen oben und unten, zwischen alten Hasen und eifrigen Nachwuchskollegen.
Wie sehr diese ganz persönlichen Geschichten der Polizisten, ihre Gefühlslage, sowie ihre ganz eigenen Wertmaßstäbe und Überzeugungen sich auf die Ermittlungen auswirken - da muss es noch nicht einmal persönliche Verbindungen zu den beteiligten Personen geben - das ist mehr als einfach nur spannend und sicherlich mit ein Grund, warum Nele Neuhaus bei den Krimifreunden so gut ankommt.
Ein weiterer Aspekt ist natürlich auch die Gabe dieser Autorin, Figuren und Situationen so präzise und fesselnd darzustellen, dass der Leser sofort mitten in die Story hinein gezogen und bis zum dramatischen Finale nicht daraus entlassen wird.
Da wird mit Höhepunkten nicht gekleckert, ja nicht einmal geklotzt:
Es geht um Liebe - echte, falsch verstandene, unerwiderte - um Zukunftsängste und um die Gier nach Geld, Macht, Einfluss.
All dies ergibt eine packende Geschichte - vielschichtig, spektakulär und schließlich auch für die Serien-Protagonisten in mehr als einer Hinsicht zukunftsweisend.
Miss Sophie
List TB
ISBN 9783548609829
An einem regnerischen Novemberabend wird eine Frau von einer Brücke auf die Straße gestoßen.
Die Ermittlungen führen Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein in die Vergangenheit: Vor vielen Jahren verschwanden in dem kleinen Taunusort Altenhain zwei Mädchen. Ein Indizienprozess brachte den mutmaßlichen Täter hinter Gitter.
Nun ist er in seinen Heimatort zurückgekehrt.
Als erneut ein Mädchen vermisst wird, beginnt im Dorf eine Hexenjagd...
Bodenstein/Kirchhoff sind wieder da - und besser denn je!
Dabei könnte doch jetzt alles so schön sein: Der große Sohn hat sich gefangen und verdient als Hörfunk- und Event-Moderator gutes Geld, will sogar heiraten, während die große Tochter sich ausgezeichnet in ihrer Ausbildung als Spitzenköchin macht.
Doch merkt der Leser schnell: Unter der Oberfläche brodelt es, denn es gibt ganz augenscheinlich Geheimnisse...
Er kehrt ins väterliche Heim zurück, was im kleinen Dorf einer Kampfansage gleichkommt. Jedoch möchte der einst überall beliebte Sohn des Ex-Wirts nicht klein beigeben, sich nicht feige vom Acker machen, sondern im Gegenteil herausfinden, was damals, kurz nach dem Abitur, passiert ist.
Die einzigen, die ihn noch unterstützen - wenn auch nicht in seinen Bestrebungen nach Aufklärung - sind die frühere Nachbarstochter, jetzt erfolgreiche Schauspielerin, der Vater von Tobias ehemals bestem Freund und Amelie, die 17jährige Gruftie-Göre aus Berlin, wider Willen bei der Verwandtschaft im Taunus gelandet.
Wobei: Es hilft - ist aber keine notwendige Voraussetzung, um diesen ausgezeichneten Krimi genießen zu können.
Brutal und beängstigend, wie ein ganzes Dorf kollektiv einen Mann verfolgt, der ganz offensichtlich unschuldig an dem ist, was man ihm zur Last gelegt hat.
Denn Tobias S. - das muss man dem Leser nicht lange erklären - hat niemanden umgebracht, er wurde reingelegt!
Fast unheimlich, dieses Ausmaß an Hass und Gewalt, was dem Gefängnisrückkehrer entgegenschlägt - zumal sich scheinbar niemand dieser Dynamik entziehen kann.
Wie bei einem akribisch berechneten Feuerwerk folgt ein Knaller auf den anderen - und jedes Mal, wenn der Leser sich hundertprozentig sicher über Schuldige und Tathergang ist, wird er durch eine neuerliche Wendung überrascht und alles ist doch wieder ganz anders als gedacht.
Schließlich ist da noch der verzweifelte Wunsch, Vergangenes vergessen sein zu lassen.
Nach diesem Band ist nichts mehr, wie es war - aber ein Ende der Reihe ist (gerade deswegen und hoffentlich!) noch lange nicht abzusehen.