Das Buch direkt bei Amazon bestellen Peter Probst
Im Namen des Kreuzes

(3. Band Anton Schwarz)
dtv TB
ISBN 978-3-423-21350-9

Nach dem tragischen Selbstmord des jungen Priesteramtskandidaten Matthias wird der - besonders bei Jugendlichen - beliebte katholische Pfarrer Heimeran erhängt aufgefunden.
Ein Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen liegt nahe - aber welcher? Wie eng war die Beziehung zwischen dem Geistlichen und dem vaterlos aufgewachsenen Jungen? War Heimerans Tod womöglich gar kein Selbstmord?
Widerstrebend nimmt Anton Schwarz Ermittlungen auf und gerät in einen Sumpf aus Machtmissbrauch, sexueller Gewalt und Vertuschung, der ihn an seine persönlichen Grenzen bringt.
Ein aufwühlender Blick ins Innere der katholischen Kirche, von einem Autor, der weiß, wovon er schreibt.

Rezension:
Zweimal war er schon „im Einsatz“, Anton Schwarz, der Ex-Polizist, der jetzt als Privatermittler unterwegs ist – wenn er nicht gerade als Nachtwächter des Konsulats eines kleinen karibischen Zwergstaates seine Brötchen verdient. Seine Nachbarin dort ist Bordsteinschwalbe Cindy (im bürgerlichen Leben „Heike“), eine gute Freundin, mit der er schon auch mal seine Gewissensnöte und Beziehungsprobleme besprechen kann.

Im Verlauf der ersten beiden Bände hat er diverse Fälle gelöst, sich in Rollstuhlfahrerin Eva verliebt und den Einzug seiner Mutter überlebt.

Das klingt erst mal gemütlich und nett.

Und ließe auf einen eben solchen Krimi schließen, wäre da nicht der zweite Handlungsstrang, in dem der Leser Patrick begegnet.

Der ist offenbar trotz seiner erst 14 Jahre das, was man einen „schweren Jungen“ nennen würde:
Hat sich der Körperverletzung schuldig gemacht und war auch bei der Vergewaltigung einer Zwölfjährigen dabei. Sein familiärer Hintergrund ist schwierig – der Bruder starb unter ungeklärten Umständen, bei denen aber wohl Drogenhandel im Spiel war -, der Jugendliche selbst scheint verstockt und beratungsresistent. Schuld an seiner Karriere als Kleinkrimineller sind immer die anderen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass dieser Junge Dinge gesehen und erlebt hat, von denen „normale“ Kinder in seinem Alter (zum Glück!) nicht einmal wissen, dass es sie gibt.
Seine letzte Chance: Ein Aufenthalt im „Haus der Gnade“ - einem Heim, dessen Träger die Kirche ist, und das sich auf die Resozialisierung von „Problemkindern“ spezialisiert hat. Der Tagesablauf ist streng geregelt, viel Sport und körperliche Arbeit gehören dazu, außerdem das intensive Gebet.

Nun gehört nicht viel Phantasie dazu, sich – gerade in Anbetracht der in den letzten Jahren ans Licht gekommenen Horrorgeschichten von Kindern und Jugendlichen, die gerade in kirchlichen Einrichtungen schlimme Dinge von Gewalt bis Missbrauch erlebt haben – auszumalen, dass möglicherweise auch im neuen Zuhause des Jungen Patrick so einiges im Argen liegen wird.
Und dem ist auch so.

Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte.

Auf der anderen steht nämlich der angebliche Selbstmord eines Priesters, an dem jene, die den Mann näher kannten, so ihre Zweifel haben – weswegen Anton Schwarz ins Spiel kommt. Er soll Licht ins Dunkel bringen.

Das tut er zunächst nur äußerst widerwillig – und der Grund dafür liegt keineswegs darin, dass er als Freund einer Jüdin und Sohn einer Mutter, die erst seit kurzem ihre jüdische Identität wiederentdeckt hat, sich außerstande sieht, unter Katholiken zu ermitteln.
Denn was Schwarz fast körperliches Unbehagen verursacht, ist einerseits die Verlogenheit der Kirche, in der ein Großteil der Würdenträger offensichtlich sehr wohl Bescheid weiß über all die Beziehungen, die es in ihren Reihen gibt und die geleugnet werden, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Andererseits hat er massive Probleme mit übergriffigen Erwachsenen, die das Vertrauen und die Bewunderung der ihnen anvertrauten Jugendlichen ausnutzen, um sich ihnen in unangemessener Weise zu nähern.

Autor Probst gelingt es nun, all diese Themenkomplexe in einer ebenso packenden wie nachdenklich machenden Handlung zu verweben:
Auf der einen Seite die Seelenpein der Priester, die Gefühle haben wie jeder andere auch und ihr Leben dafür gäben, könnten sie das Amt (und damit den Glauben) UND ihre Beziehung leben.
Auf der anderen eine Institution, bei der sich unter einem frommen Deckmantel Politik, Sexualität, vor allem aber der Wunsch nach Macht zu einer ebenso gefährlichen wie grausamen Dreieinigkeit verbinden.
Und schließlich die Unerbittlichkeit, mit der Kinder „im Namen des Kreuzes“ gebrochen, seelisch kaputt gemacht, gegeneinander aufgehetzt werden, vermeintlich, um ihre Seelen zu retten.

Natürlich mangelt es nicht an Spannung – und an Spannungen:
Zwar hat Schwarz unter den Ex-Kollegen noch so manchen Freund, doch geht sein Informationsbedürfnis vielen zu weit und sie sehen es nicht gern, wenn er sich ein ums andere Mal an den Tatort begibt oder ihnen mit einer eigenmächtigen Handlung zuvorkommt.
Dann ist da noch dieser LKA-Beamte mit „Sonderaufgaben“, vom Ordinariat als Ermittler eingesetzt, dem Schwarz aber nicht über den Weg traut.
Und auch innerhalb der Familie ist alles nicht eitel Sonnenschein:
Die Mutter nervt, die Tochter ist einigermaßen entsetzt über Vaters 25 Jahre jüngere Freundin und diese wiederum würde sich gern viel mehr in Antons Arbeit einbringen, als er ihr, der Amateurin, zutraut. Doch so sympathisch unser Held auch sein mag – ein Teamplayer ist er definitiv nicht.

Während sich die Situation zuspitzt, ist schnell klar, dass hier jemand am Werk ist, der es gar nicht schätzt, wenn jemand zu genau hinschaut oder zu viel wissen will. Zeugen werden verfolgt, es gibt konspirative Treffen und auch vor Überfall schrecken die Täter nicht zurück.

Am Ende ist der Fall gelöst, es sind Schuldige gefasst und andere, wie es oft ist im Leben, ihrer gerechten Strafe entkommen.
Vor allem aber ist Leben gerettet und Hoffnung gepflanzt, dass es doch Heilung gibt, auch da, wo furchtbare Wunden geschlagen wurden.

Und wieder einmal hat Peter Probst bewiesen, dass es möglich ist, brisante aktuelle Themen aufzugreifen, ohne in Betroffenheit zu ersticken und einem Roman durch einheimisches „Personal“ von ganz eigener Natur ein sehr lokales Gesicht zu geben, ohne einen Regionalkrimi daraus zu machen.

Miss Sophie