Das Buch direkt bei Amazon bestellen Ursula Poznanski
Stimmen

(3. Band Beatrice Kaspary)
Wunderlich gebunden
ISBN 978-3-8052-5062-7

Er hatte die Zeichen gesehen. Er sah sie seit Jahren schon, und hatte immer wieder versucht, die Menschen zu warnen, doch nie wollte jemand ihm glauben.

Sie hatten ein Opfer dargebracht.
Auf keinen Fall durften sie ihn hören.
Sie wissen, wer du bist.

Menschen, die wirr vor sich hinmurmeln. Die sich entblößen, Stimmen hören:
Die Psychiatriestation des Klinikums Salzburg-Nord ist auf besonders schwere Fälle spezialisiert.
Als einer der Ärzte ermordet in einem Untersuchungsraum gefunden wird, muss die Ermittlerin Beatrice Kaspary versuchen, Informationen aus den Patienten herauszulocken. Aus traumatisierten Seelen, die in ihrer eigenen Welt leben. Und nach eigenen Regeln spielen...

Rezension:
Zum Auftakt fließt Blut, viel Blut.
Und dieses Motiv wiederholt sich auch im Verlauf der Handlung immer wieder – denn leider bleibt es nicht bei einem einzigen Opfer.

Zunächst einmal aber hat Beatrice Kaspary mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen. Als berufstätige und zu allem Überfluss alleinerziehende Mutter gibt es genügend Gelegenheiten, an denen sie von außen auf ihre „Unzulänglichkeiten“ hingewiesen wird. Sei es, dass die Hausaufgaben nicht so kontrolliert wurden, wie es sich die Lehrkraft wünscht, seien es die dienstlichen Termine, die immer wieder dafür sorgen, dass sie sich bei der Abholung des achtjährigen Jakob und der zwölfjährigen Mina verspätet.
Ganz zu schweigen von den Schickanen und Beleidigungen, die Ex-Mann Achim immer wieder für seine Geschiedene bereit hält.

Dabei steht das Privatleben der 36jährigen Kommissarin am LKA Salzburg keineswegs im Vordergrund des überaus spannenden Romans.
Es sorgt nur dafür, dass die sympathische Protagonisten noch mehr unter Druck steht, als es aufgrund der Vorfälle in der Psychiatrie bereits der Fall ist.
Denn die dort untergebrachten Trauma-Patienten – alle mit ihrem ganz eigenen, verstörenden Schicksal – sind weder von vornherein als Täter auszuschließen, noch als Zeugen besonders verlässlich.
Dazu kommt die Tatsache, dass es sich bei einer der Patientinnen um eine äußerst prominente Person handelt, die unter größter Geheimhaltung im Klinikum untergebracht ist und die es um jeden Preis zu schützen gilt.

Doch gerade diese Frau, die seit fünf Jahren kein einziges Wort gesprochen hat, scheint auf besondere Weise in die Geschehnisse verwickelt zu sein, denn es sind ihre Fingerabdrücke, die sich am Tatort finden.
Also bemüht sich Beatrice Kaspary, einen Zugang zu der 23jährigen zu finden – und kehrt immer wieder in die Psychiatrie zurück. Natürlich nimmt sie dort auch Kontakt zu Walter Trimmel auf, der Stimmen hört, seitdem er als Kind von seiner Mutter aufs heftigste gequält wurde.
Oder zur wunderschönen Maja, die nicht nur eindeutig-zweideutig, sondern ganz explizit über sexuelle Beziehungen zu praktisch jedem Mitarbeiter und Patienten schwadroniert. Soll, darf man das glauben?
Und was ist mit den Andeutungen, der Klinikleiter selbst könne Dreck am Stecken haben? Dazu will sich niemand äußern, weder der stets gut gelaunte Pfleger Robert mit dem Zopf, noch der überaus charmante, aber auch sehr neugierige Dr. Vasinski und seine Kollegen, allen voran die einfühlsame Frau Dr. Plank, als ebenfalls Alleinerziehende immer gehetzt.

Die Lage spitzt sich zu, als der ersten Tat eine weitere folgt – und die Ermittler intern unter erschwerten Bedingungen arbeiten müssen: Der Chef, der Frauen im Allgemeinen und Beatrice im Besonderen nichts zutraut, hat ein besonders schweres privates Päckchen zu tragen, der forensische Psychologe Kossar richtet wieder einmal mehr Schaden an, als dass er hilfreiche Erkenntnisse beisteuert und der geltungsbedürftige Kollege Bechner ist dauerbeleidigt, was den Umgang mit ihm nicht erleichtert.
Als zusätzliche Komplikation prickelt es noch viel mehr als in den beiden ersten Bänden zwischen Beatrice und ihrem Kollegen Florin Wenninger …

Es ist ein höchst ungewöhnliches, aber auch sehr spannendes Setting, das sich Erfolgsautorin Poznanski für ihren jüngsten Roman ausgesucht hat.
Ein Großteil der Handlung spielt sich im Umfeld der psychiatrischen Klinik ab, beschäftigt sich mit den dort stationierten Menschen, ihren Schicksalen und der Behandlung, die sie erfahren.
Manche sind durchaus ungewöhnlich – denn neben Trommel-, Klangschalen- und Atem-Therapie wird den Kranken auch Tarot- und Horoskop-Therapie angeboten. Doch was zunächst weit hergeholt klingt, wird durch die Beschreibung der Autorin zu einem durchaus folgerichtigen und durchaus sinnvollen Ansatz.

Nicht nur hier zeigt sich die besondere Stärke der Wienerin in den Dialogen und Schilderungen ungewöhnlicher Szenen. So anrührend sind die Beschreibungen, teilweise durch minimale Details, dass die Leserschaft die Figuren förmlich zu sehen und zu hören meint und sich förmlich in die Handlung hineingezogen fühlt. Selbst wenn man das überhaupt nicht will, weil diese gerade besonders dramatisch oder tragisch ist.

Es ist ein Roman mit vielen Eltern-Kind-Geschichten.
Geschichten von fürsorglichen und liebevollen Eltern, die praktisch alles für ihren Nachwuchs tun würden, aber manchmal einfach zu wenig Zeit haben.
Geschichten von Eltern, die durch ihr Tun, bewußt oder unbewußt Schuld auf sich geladen haben.
Und solche von gefühlskalten Paranoikern, die ihre eigenen Dämonen auf die Kinder projizieren.

Die Handlung ist vielschichtig und spannend, lange bleibt unklar, ob Wahn oder Wirklichkeit für die Taten verantwortlich sind.
Die Figuren gewinnen einmal mehr an Tiefe – etwa wenn Florin Wenninger für jeden Leser nachvollziehbar komplett die Beherrschung verliert und gegenüber einem Zeugen tätlich wird. Oder wenn Beatrice taktisch unklug ihren Unmut gegenüber dem ewig nörgelnden Bechner zum Ausdruck bringt.

Wenn nach einem absolut spannenden und für Kaspary lebensgefährlichen Showdown dieser Fall gelöst ist, bleiben zweifellos noch genügend lose Enden im Hinblick auf die Geheimnisse der Vergangenheit und der künftigen Entwicklung auf privater Ebene, um unbedingt noch mindestens einen, gern aber mehrere Bände über dieses Ermittlerpaar lesen zu wollen.

Miss Sophie