Das Buch direkt bei Amazon bestellen Ursula Poznanski
Layers

Loewe Klappenbroschur
ISBN 978-3-7855-8230-5

(ab 14 Jahre)

Seit Dorian von zu Hause abgehauen ist, schlägt er sich auf der Straße durch – und das eigentlich recht gut. Als er jedoch eines Morgens neben einem toten Obdachlosen aufwacht, der offensichtlich ermordet wurde, gerät Dorian in Panik, weil er sich an nichts erinnert: Hat er selbst etwas mit der Tat zu tun?
In dieser Situation bietet ihm ein Fremder unverhofft Hilfe an und Dorian ergreift die Gelegenheit beim Schopf – denn das ist seine Chance, sich vor der Polizei zu verstecken.
Der Unbekannte engagiert sich für Jugendliche in Not und bringt Dorian in eine Villa, wo er neue Kleidung, Essen und sogar Schulunterricht erhält.
Doch umsonst ist nichts im Leben, das erfährt Dorian recht schnell. Die Gegenleistung, die von ihm erwartet wird, besteht im Verteilen geheimnisvoller Werbegeschenke – sehr aufwendig versiegelt.
Und als Dorian ein solches Geschenk nach einem unerwarteten Zwischenfall behält, wird er von diesem Zeitpunkt an gnadenlos gejagt.

Rezension:
Eigentlich wollte der siebzehnjährige Dorian ja Anwalt werden – doch nach dem Krebstod der Mutter fünf Jahre zuvor ist alles anders. Mit ihr sah er sich gern Horrorfilme an, nun lebt er selbst in einem. Seit sechs Monaten ist er auf der Straße, durchwühlt die Müllcontainer nach warmer Kleidung und Nahrung oder isst sich bei den Verkostungen im Supermarkt satt. Zoff mit dem gewalttätigen Vater hat ihn von zuhause weggetrieben. Er schläft in der U-Bahn, versucht, sich vor Schlägerbanden, Drogenabhängigen und gierigen Obdachlosen zu schützen, die ihn bestehlen wollen.
Dann der Albtraum schlechthin: Mit Kopfschmerzen erwacht er neben einem toten Penner, das mit Blut besudelte Taschenmesser direkt neben ihm. Wie ein Engel kommt in dieser Situation Nico Korte um die Ecke, will ihn decken, will ihm helfen. Obwohl der Jugendliche ein gewisses Misstrauen spürt, lässt er sich mitnehmen.
Was ihn dann erwartet, verschlägt Dorian kurzzeitig den Atem: Eine Villa, voll mit Jugendlichen. Zum Beispiel die sommersprossige Antonia mit den roten Haaren. Alles scheint ihm wie ein Traum: Es gibt Waschgelegenheiten, Essen (sogar an Lactoseintoleranz hat man gedacht), frische Kleidung und Kopfschmerztabletten. Für all das verantwortlich ist Wohltäter Raoul Bornheim.
Auch die anderen Bewohner des Hauses stammen von der Straße – wie Melvin, der Dieb, der mit 14 Jahren von daheim abgehauen ist oder Stella mit den dunklen Augen und wilden Locken.
Jedoch beschränkt sich das „Futter“, das den Kids geboten wird, nicht auf regelmäßige Mahlzeiten. Stattdessen erteilen sie sich gegenseitig Unterricht, je nach ihren persönlichen Neigungen und Stärken. Fernsehen und Internet findet man allerdings nicht im Haus. Fünf Kurse muss jeder mindestens belegen – Ethik und Deutsch sind dabei Pflicht. Die Verwaltung des Stundenplans obliegt Paula mit dem Tattoo im Gesicht.
Was Dorian ziemlich bald auffällt: Die gestellte Kleidung ist zwar nicht einheitlich, aber auch nicht komplett individuell. Alle tragen T-Shirts – diese jedoch besitzen unterschiedliche Farben. Rot, grün, blau. Er selbst bekommt ein graues Shirt. Außerdem schneidet und färbt man ihm die Haare – was dem Jungen ganz recht ist, geht er doch davon aus, bereits von der Polizei mindestens als Zeuge, möglicherweise aber auch als Täter gesucht zu werden. Was in der Nacht wirklich geschehen ist, kann er selbst nicht sagen – ihm fehlt jegliche Erinnerung an die fraglichen Stunden.
Nach kurzer Akklimatisierung in der Villa wird Dorian mit den anderen in die Stadt geschickt – als kleine Gegenleistung für das, was er kostenfrei erhält, soll er Flugblätter verteilen. Die Arbeit ist leicht, das Leben ist schön und die 16-jährige Stella ein Mädchen einfach zum Verlieben.
Doch nach und nach geschehen sonderbare Dinge: Jugendliche verschwinden, Dorian sieht und hört Sachen, die er nicht einordnen kann, schließlich erhält er einen eigenartigen Kurierauftrag. Als der Junge das Päckchen aus Neugier öffnet, beginnt eine Reihe von verwirrenden und beängstigenden Ereignissen, die schließlich in eine Flucht mündet. Plötzlich muss er sich vor denen verstecken, die ihm doch angeblich so wohlgesonnen waren und zuweilen rettet ihn nur die als Obdachloser erworbene Ortskenntnis.
Immer deutlicher erkennt er, dass sich hier bahnbrechende wissenschaftliche Erfindungen mit finsteren Machenschaften gepaart haben, kann aber dennoch niemanden ins Vertrauen ziehen. Wer würde einem verwahrlosten jungen Mann wie ihm schließlich Glauben schenken?
Der Showdown am Ende, bei dem sich plötzlich sämtliche Erkenntnisse in völlig anderem Licht darstellen, zeigt einmal mehr, warum der Titel des Romans Programm für die gesamte Handlung ist. „Layers“ - Schichten, die eine um die andere verschwinden und Sicht auf etwas anderes darbieten. Und der Leser immer mittendrin, gebeutelt von den beunruhigenden Erinnerungen des traumatisierten Dorian, immer mit einem Gefühl des Unbehagens in Erwartung einer weiteren Schurkerei.
Atemberaubend spannend – wie alle Romane der Autorin, wurde das Buch 2016 zu Recht mit dem Hansjörg-Martin-Preis der Autorenvereinigung „Syndikat“ ausgezeichnet.

Miss Sophie