Das Buch direkt bei Amazon bestellen Anne Holt Gabriele Haefs
Das achte Gebot

Original: Dod joker
Deutsch von Gabriele Haefs
Piper TB
ISBN 3-492-23928-5

Oberstaatsanwalt Sigurd Halvorsrud schlägt die Hände vors Gesicht. Vor ihm auf dem Boden liegt seine Frau, ihr Kopf ist sauber vom Rumpf getrennt worden, und Halvorsruds blaues Polohemd weist eine Menge dunkler Flecke auf: Blut.
Hauptkommissarin Hanne Wilhelmsen aber will keine voreiligen Schlüsse ziehen. Zumal Halvorsrud den Namen des Täters zu kennen glaubt - Stale Salvesen, ein gescheiterter Geschäftsmann aus Oslo.
Doch Zeugen sagen aus, dass Salvesen sich offenbar wenige Tage vor der grausigen Tat von einer Brücke ins Meer gestürzt haben soll.
Gereizt und mürrisch aber scheint Hanne Wilhelmsen den Rückschlag in ihren Ermittlungen kaum zur Kenntnis zu nehmen, Tag und Nacht beschäftigt sie die tragische Eröffnung, die ihre Freundin Cecilie ihr so unvermutet gemacht hat.
Während Hanne sich bemüht, mit den neuen Umständen zurecht zu kommen, gibt es ein zweites Opfer: Der bekannte Wirtschaftsjournalist Bromo wird erschlagen aufgefunden - in Salvesens Keller, der über und über mit den Fingerabdrücken des Oberstaatsanwalts Halvorsrud bedeckt ist ...

Rezension:
Es geht um Unwahrheiten. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit?
Wer ist Täter, wer Opfer?
Hanne Wilhelmsen, die Osloer Kriminalhauptkommissarin hat kaum Zeit, sich um ihre privaten Probleme zu kümmern, da die Ereignisse sich ständig überstürzen.
Staatsanwalt Halvorsrud sitzt Stunden neben seiner enthaupteten Frau ehe er die Polizei ruft. Als Mörder gibt er einen Mann an, den er nie gesehen hat und der laut Zeugen schon Tage zuvor Selbstmord begangen hat.
Je mehr Antworten Hanne Wilhelmsen sammelt, desto mehr Fragen tauchen auf.
Und dann geschieht ein zweiter Mord.
Das erste Gebot:
ICH BIN DER HERR, DEIN GOTT. DU SOLLST KEINE ANDEREN GÖTTER NEBEN MIR HABEN!
Wer kommt auf die Idee, einer Frau den Kopf abzuschlagen, während ihr Mann hilflos daneben sitzt?
Das zweite Gebot:
DU SOLLST DEN NAMEN DES HERRN NICHT UNNÜTZ GEBRAUCHEN!
Wer kommt auf die Idee, sich aus Protest die Ohren abzuschneiden, um sie dann mit in die Schule zu nehmen?
Das dritte Gebot:
DU SOLLST DEN FEIERTAG HEILIGEN!
Wer kommt auf die Idee, Selbstmord zu begehen, um einem anderen damit zu schaden?
Das vierte Gebot:
DU SOLLST VATER UND MUTTER EHREN!
Wer kommt auf die Idee, Material über Pädophile im Netz zu suchen?
Das fünfte Gebot:
DU SOLLST NICHT TÖTEN!
Wer kommt auf die Idee, einen solch bestialischen Mord für seine eigenen Zwecke auszunutzen?
Das sechste Gebot:
DU SOLLST NICHT EHEHBRECHEN!
Wer kommt auf die Idee, wenige Tage nach der Geburt seiner Tochter mit seiner lesbischen Freundin zu schlafen?
Das siebte Gebot:
DU SOLLST NICHT STEHLEN!
Wer kommt auf die Idee, Beweismaterial verschwinden zu lassen?
Das achte Gebot:
DU
SOLLST
NICHT
FALSCHES
ZEUGNIS
.....

Compuexe

***

Kann ein Toter einen Mord begehen?
Das klingt akademisch und schreit ein bisschen nach der guten alten Agatha Christie - aber Anne Holt beweist, dass die Geschichte auch heute funktioniert.
Mit der gehörigen Portion versiertem Handwerk aufgezogen geht es in diesem Hanne Wilhelmsen-Thriller dauernd voran und nur manchmal ein paar Schritte zurück: um uns daran zu erinnern, dass der angebliche Mörder wirklich tot ist.
"Das achte Gebot" ist ein Serienroman auf höchstem Niveau - besonders wegen der breit ausgespielten privaten Geschichte um die Krebs-Erkranung von Hannes Lebensgefährtin.
Dazu kommt ihre unverbrüchlich tiefe Freundschaft zu Billy T. dem Vorzeige-Macho des skandinavischen Krimis - er und Hanne sind "Harry und Sally" des zeitgenössischen Krimis: lebensklug und pragmatisch, manchmal auch sentimental und immer füreinander da, so dass man glatt glauben könnte, dass Männer und Frauen doch zusammenpassen.
Bei soviel Bezügen zum Gesamtrahmen der Hanne-Wilhelmsen-Serie gerät der eigentliche Fall leicht in den Hintergrund: Eine Geschichte um Kinderschänder, wie sich nach und nach herausstellt, nicht sonderlich extravagant aufgezogen, um Hannes dominierende Privatgeschichte nicht zu verdecken: eine versierte Entscheidung, genau wie alles in diesem Roman.

Reinhard Jahn