Das Buch direkt bei Amazon bestellen James Ellroy Thomas Mohr
Nachtstücke

Original: Hollywood Nocturnes
Deutsch von Thomas Mohr
Hoffmann und Campe gebunden
ISBN 3-455-01792-4

Kurzgeschichten von James Ellroy, dem Meister der untergründigen Spannung, des kalten, melancholischen Realismus und des stilistischen Purismus - in dieser Sammlung von Erzählungen vereinen sich die sprachlichen Ausnahmequalitäten dieses Autors mit einem beinahe sanften Blick auf das glamouröse Leben in Hollywood.
In einer Atmosphäre, durch die der Geist der fünfziger Jahre zu wehen scheint, zeichnet er Lebensläufe und Gestalten, die ihre Illusionen längst verloren haben und dennoch an ihren Träumen festhalten.
Ellroy erinnert sich an seine eigene Jugend, an die Filme dieser Zeit, an die Wünsche, die Wirklichkeit zu werden versprachen und im unbarmherzigen Licht der Glitzerwelt verblassten. Jede Nacht verliert der amerikanische Traum in Hollywood seine Unschuld, um am Morgen unbeschadet wieder den neuen Tag zu beginnen.
Ein Muss für Ellroy-Fans.

Rezension:
James Ellroy ist längst in die Literaturgeschichte eingegangen, nicht nur als Krimiautor, sondern auch als begnadeten realistischen Erzähler, der mit durchdringendem Auge die Fassaden der amerikanischen Glamourgesellschaft und der doppelmoralischen Puritaner aufblättert und somit den Blick freilegt auf die unbarmherzige Realität. Seine Sittenbilder vor allem von Los Angeles sind ein Spiegel der Zeit. Der Kriminalroman bietet nur den Rahmen dazu.
Die vorliegenden Erzählungen zeigen anfangs einen etwas anderen James Ellroy, der in Erinnerungen schwelgt und nach einem kurzen Vorspiel (Schatten der Vergangenheit) eine biographische Hommage an Dick Cortino ausbreitet, die aber dem Stil nach unverkennbar Ellroy-puristisch abgefasst ist.
Danach folgen typische Stories des Meisters der knappen, puren Spannung, in denen er ins Milieu Hollywoods der 50er Jahre einsteigt. Sei es aus der Sicht eines kaputten Polizisten oder eines Handlangers. Der Grat zwischen Polizei und Verbrecher ist ein bekanntlich sehr schmaler. Jederzeit ist ein Ausrutscher möglich und bei aller nahezu tödlichen Verachtung entsteht immer wieder ein Naheverhältnis, das aus der Geschichte der Figuren nachvollziehbar ist.
So kommt ein Kleingauner plötzlich in den Genuss eines High Society-Lebens, weil er auf einen Millionenerben aufpassen muss, der allerdings ein Hund. Doch dieses Leben währt so nicht lange und nach ein paar Leichen findet er doch noch eine Art Happy End.
Glücklich endet aber sonst kaum eine Geschichte, denn das reale Leben Hollywoods bietet nur wenigen eine wirkliche Option. Meist endet alles so, wie es begonnen hat: im selben Milieu, in gewalttätiger Atmosphäre, in der ureigensten Spannung des Daseins: im Überlebenskampf.
Wer Ellroy nicht kennt, bekommt nach diesem Buch Lust auf mehr. Wer ihn jedoch zur Genüge kennt, lernt ihn hier etwas besser kennen.

Rudolf Kraus