Das Buch direkt bei Amazon bestellen Henning Mankell Wolfgang Butt
Die Rückkehr des Tanzlehrers

Original: Danslärarens aterkomst
aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt
Zsolnay gebunden
ISBN 3-552-05205-4

Stefan Lindman, 37, Polizeikommissar in Südschweden, bekommt an einem Tag gleich zwei schlechte Nachrichten: Er hat Krebs, und sein ehemaliger Kollege und Mentor, Herbert Molin, wurde Opfer eines Gewaltverbrechens.
Um auf andere Gedanken zu kommen, fährt Lindman hinauf nach Norrland. Dort hat Herbert Molin nach seiner Pensionierung in völliger Abgeschiedenheit gelebt, bis er am 19. Oktober 1999 überfallen, gefoltert und getötet wurde - ein Mord, der einer Hinrichtung gleicht.
Während Lindman versucht, mit sich und seiner Krankheit ins reine zu kommen, scheut er kein Risiko und ist den Ermittlungen der Kollegen am Ort immer eine Nasenlänge voraus.
Er entdeckt, dass Herbert Molin ein ehemaliger SS-Mann war, der 1942 als Freiwilliger auf Seiten Hitlers in den Krieg zog und seiner politischen Überzeugung offenbar bis zum Lebensende treu blieb.
Und er findet wenig später ein weiteres schlimm zugerichtetes Mordopfer vor: Molins Nachbarn, einen pensionierten Geiger.
Was aber hat der Musiker mit Molins faschistischen Ansichten zu tun? Und welche Rolle spielt jenes geheime Netzwerk schwedischer Nationalsozialisten, das auch Lindmans eigene Vergangenheit berührt und in der Gegenwart noch so erschreckend präsent ist?

Eine Leseprobe finden Sie auf dieser Verlagsseite .

Rezension:
Die erste, die wichtigste Frage, die sich der Mankell-Fan stellt, ist doch die: Funktioniert ein Polizei-Roman aus der Feder des Kultautors ohne die Figur, die mittlerweile zum Synonym für den schwedischen Polizeiroman geworden ist, also ohne Kurt Wallander?
Die Antwort, kurz und bündig: Ein uneingeschränktes "Ja".
Glaubhaft und plastisch zeichnet Mankell seinen Protagonisten, den kranken, jungen Polizisten, dessen Aktivitäten im Mordfall seines Ex-Chefs ursprünglich aus dem Wunsch nach Ablenkung geboren wurde.
Doch während Lindman da ein Indiz findet, dort eine Person auftut, die in die Geschichte verstrickt ist, wird aus seinem "Mal kucken" zunächst echtes Interesse und dann eine ausgesprochen persönliche Angelegenheit; der er sich nicht mehr entziehen kann, nicht zuletzt weil sich plötzlich Querverbindungen zur eigenen Familie des Kriminalisten ergeben.
Das Thema als solches - Alt- und Neonazis, sowie ihre Taten damals und heute - ist nicht neu und wurde, gerade bezogen auf den skandinavischen Raum, bereits ausführlich von Sjöwall/Wahlöö abgehandelt.
Dennoch ist es Mankell gelungen, eine facettenreiche, außerordentlich spannende Variante zu Papier zu bringen, deren mitreißender Handlung sich der Leser kaum entziehen kann.
Natürlich zieht sich durch den Roman eine gewisse melancholische Note - was wäre auch anderes a) von Mankell und b) im Fall eines Helden zu erwarten, dessen Diagnose impliziert, dass alles möglich ist: völlige Gesundung, aber auch Tod?
Aber diese Ängste verbinden sich so harmonisch mit dem Kontext, dass sie die Bindung des Lesers an die Hauptfigur eher erhöhen, statt die beiden emotional voneinander zu entfernen.
Allerdings sorgt diese ganz besondere Konstellation - ein Mensch, der auf seinen Therapiebeginn wartet und sich somit im Zwischenreich zwischen Hoffnung auf Heilung und kompletter Verzweiflung befindet - auch dafür, dass "Die Rückkehr des Tanzlehrers" nicht notwendigerweise nach einer Fortsetzung schreit. Denn durch die zumindest vordergründige Genesung des Patienten, mit der das Buch endet, entfällt natürlich auch seine innere Zerrissenheit, die eine wichtige Rolle für den gesamten Verlauf der Handlung spielt.
Insgesamt darf man aber wohl sagen, dass Mankell mit dem vorliegenden Werk ein eindrucksvoller Beweis für die Tatsache gelungen ist, dass man ihn nicht zu unrecht den Schwedischen Meister des psychologischen Spannungsromans nennt; und zwar auch ohne dabei notwendigerweise auf die von den Fans hochgeschätzte Serienfigur Wallander zurückgreifen zu müssen.

Pille

***

Zwischen zwei Buchdeckel verschwinden, in Schweden wieder auftauchen, so die Umgebung vergessen und lesen, lesen, lesen.
Zungenkrebs hat Stefan Lindman, der 36jährige Kommissar. Die Angst vorm Tod und vor der ersten Strahlenbehandlung treibt ihn weg von zu Hause, weg von seiner Freundin, zu den Ermittlungen um den grausamen Tod eines Polizistenkollegen, den er nicht mal gut gekannt hat.
Das "neutrale", im Gegensatz zu Norwegen nicht besetzte Schweden, während des zweiten Weltkrieges hat viele Freiwillige gehabt, die zur Wehrmacht wollten. Einer davon war der, mit einer Puppe tanzende alte Polizist, dessen blutige Fußspuren auf dem Boden in Tangoschritten verewigt sind, als Lindman anfangs auf eigene Faust den Tatort besichtigt.
Viele falsche Fährten, viele Verdächtige, viele Spuren im frisch gefallenen Schnee, des Novembers 1999. Verhungerte, verdurstete Leser gäbe es dazu, hätte Mankell nicht einige Längen eingebaut.
Im letzten Dritten wird es dann wieder so spannend, dass wir froh sind, dass man ohne Trinken drei Tage überleben kann. Beruhigt klappen wir "den Tanzlehrer" zu, weil wir wissen die Bücherwelt ist mit Wallander nicht untergegangen, so lange Mankell schreibt.
Dem Übersetzer Wolfgang Butt verdanken wir diesen Mankellschen Lesegenuss!

K. Ara