Das Buch direkt bei Amazon bestellen Dick Francis Felix Francis Malte Krutzsch
Schikanen

Original: Silks
Aus dem Englischen von Malte Krutzsch
Diogenes gebunden
ISBN 978-3-257-06744-6

Geoffrey Mason ist erleichtert, als sein Mandant - ein brutaler Schläger - hinter Gitter kommt.
Doch Freiheit und Strafe liegen nur einen Richterspruch voneinander entfernt:
Als das Gericht das Urteil revidiert, wird das Verhältnis zwischen Anwalt und Klient zum Alptraum...

Rezension:
Francis (diesmal Vater und Sohn) ist seit Jahren Synonym für ausgesprochen gut geschriebene Unterhaltungslektüre auf höchstem Niveau.
Der Held erlebt erst Höhen, dann tiefe Tiefen, um sich am Ende wie Phoenix aus der Asche aus dem Schlamassel zu erheben - nicht ohne den bösen Buben vorher gehörig Bescheid zu stoßen.
Durchaus auch - Leute aus dem Rennsport sind da nicht so zimperlich - dort wo's ordentlich weh tut.
Dies jedoch ist einer der etwas anderen Romane von Francis (& Francis). Faszinierend und fesselnd geschrieben. Stellenweise auch mit jener leichten Ironie, für die seine Fans den Autor so sehr lieben.
Vor allem aber geht das, was da steht, unter die Haut.
Weil ein Teil der Protagonisten nicht nur böse, sondern auch extrem brutal ist.
Um die Verurteilung des fiesen Julian Trent für ungültig zu erklären, werden Menschen massiv und aufs Übelste bedroht - und aus taktischen Gründen auch schon mal zusammengeschlagen (egal, ob es sich um Männer oder schwangere Frauen handelt).
Das wird dem Ich-Erzähler, dem Ex-Verteidiger Trents, in dem Moment überdeutlich bewusst, als auch er dem brutalen Schläger zum Opfer fällt. Erstaunlicherweise steht dabei nicht Rache für den in erster Instanz verlorenen Prozess im Vordergrund, sondern eine zunächst unbegreifliche Anweisung: Geoffrey, aus naheliegenden Gründen auch "Perry" genannt, Mason soll die Verteilung eines Jockeys übernehmen, der einen Rivalen mit einer Heugabel erstochen haben soll.
Für Mason, den Barrister (also bei Gericht zugelassenen Anwalt) eine schwierige Sache, hatte er als Amateurreiter doch sowohl mit dem mutmaßlichen Täter, als auch seinem Opfer vorher Kontakt. Darüber hinaus sind ihm Dinge bekannt, die sich eigentlich zum Nachteil des Angeklagten auswirken würden, wüsste das Gericht darüber Bescheid.
Dennoch übernimmt er den Fall - nicht zuletzt, da ihm und seiner Familie ganz direkt und massiv gedroht wird.
Und diese Drohungen gehen noch weiter: Ein Unbekannter fordert Mason auf, den Fall bewusst zu verlieren.
Das ist der Punkt, an dem der Anwalt hätte vernünftigerweise einen Rückzieher machen und sich der Polizei anvertrauen müssen, da mit solchen Leute nicht zu spaßen ist. Doch der Wunsch, nicht bis ans Ende seiner Tage in Angst leben zu müssen, so wie andere, völlig gebrochene Opfer, die er im Lauf seiner privaten Ermittlungen kennen lernt, ist stärker.
Mason will nun alles daran setzen, den Fall zu gewinnen und den wahren Mörder zu entlarven. Nebenbei hat er außerdem vor, das wichtigste Rennen der Saison zu gewinnen ...
Beim Leser steigt der Adrenalinspiegel, egal ob der Held nun stürzt, vorübergehend eine Niederlage erleidet oder sich aus Angst um seine Lieben zwischendurch einschüchtern lässt - dieser Typ steht wieder auf, führt das zu Ende, was er sich vorgenommen hat. Das ist ein Kerl, wie ihn jeder bei Schwierigkeiten an der eigenen Seite hätte.
Natürlich geht es am Ende um Geld, viel Geld. Sowie um Rache und die nicht vorhandene Hemmschwelle bei einem zutiefst amoralischen und fehlgeleiteten jungen Menschen.
Die Spannung ist hoch, permanent.
Die Liebesgeschichte, die sich ganz vorsichtig entwickelt, macht den Protagonisten noch sympathischer und verletzlicher.
Das Ende ist diskutabel - nachvollziehbar und konsequent zwar, im Hinblick auf die Ereignisse zuvor, in denen vielfach darauf hingewiesen wird, wie groß der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist, wenn es um nackte Angst geht, um das Gefühl permanenter Gefahr. Aber dennoch diskutabel.
Und unvergesslich.
Wie dieser ganze Roman, der fürwahr unter die Haut geht!

Miss Sophie